07.02.24

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Bedrohte Sprachen

Bald ist der Tag der Muttersprache. Diesen Unesco-Tag gibt es seit 1952, als Studenten für die Sprache auf die Straße gingen. Damals hatte Pakistan beschlossen, dass Urdu die einzige Sprache für Pakistan und das heutige Bangladesch sei – obwohl Bengalisch für mehr als die Hälfte der betroffenen Bevölkerung Muttersprache war. Dem friedlichen Protest wurde mit Gewalt begegnet, viele Studenten starben. Dieser jährliche Tag soll uns daran erinnern, dass Sprachen für unterschiedliche Kulturen stehen, die es zu bewahren gilt. 

Bei uns wird dieser Tag der Muttersprache vor allem als Plädoyer für die Mehrsprachigkeit aufgegriffen. Oft hilft es besonders Kindern, ihre eigene Muttersprache beim Erlernen einer neuen Sprache beizubehalten, anstatt diesen Lernprozess zu behindern. Darum haben wir auch bilinguale Bücher in unser Verlagsprogramm aufgenommen.

So gut die Betonung des Mehrsprachigkeitsgedankens auch intendiert sein mag, sie wird dem Ursprung und der Bedeutung des Tages der Muttersprache nicht gerecht. Es geht im Grunde um kulturelle Vielfalt. Die Sprachen verschwinden mit der Geschwindigkeit der Zerstörung des tropischen Regenwaldes. Es gibt etwa 7000 Sprachen auf der Welt und mit den großen Veränderungen in der Welt - vor allem der Globalisierung - sind sie zunehmend bedroht. Auch spezielle Sprachen wie beispielsweise die Klicksprache der Khoisan im südlichen Afrika sind bedroht. Und das ist schlimm. 

Die Sprache ist der Spiegel einer Kultur. Sprachen enthalten viele Wörter und Konstruktionen, die nicht in eine andere Sprache übertragen werden können, weil es vielleicht ein kulturelles Phänomen in der anderen Sprache nicht gibt. Die Sprache verankert diese Diversität und Lebensweisen. Mit jeder Sprache, die ausstirbt, geht wichtiges Wissen über Fähigkeiten, Techniken, Bräuche, Flora und Fauna sowie Weltanschauungen verloren. 

Entscheidend für die Erosion der Sprachen scheint unter anderem das Vordringen der Lingua franca unserer Zeit zu sein: Englisch. Natürlich spricht einiges dafür, dass sich in einer zunehmend vernetzten Welt eine Sprache herausgebildet hat, die diese Verbindung verkörpert. Alles ist miteinander verbunden, jeder kann sich nahezu überall verständigen. Weltsprachen können aber auch einen ungewollten Verdrängungseffekt mit sich bringen. Das ist ein Problem, mit dem wir bereits in unserem eigenen Land konfrontiert sind. An unseren Universitäten ist das Englische auf dem Vormarsch, und in Großstädten wie Berlin scheint die "Anglisierung" des öffentlichen Lebens ständig zuzunehmen. 

Auch bei uns sterben 13 Sprachen aus und sind zunehmend bedroht oder werden nur noch von älteren Menschen gesprochen, wie zum Beispiel Plattdeutsch. Und Sprachen wie Irisch, Bretonisch und Jiddisch sind zumindest als gefährdet eingestuft. So gesehen ist der Tag der Muttersprache plötzlich gar nicht mehr so abwegig, sondern höchstaktuell. Bild: Canva