29.11.21

Grimms Märchen_lowres

Wie Literatur Menschen verbindet: Erfahrungen des Kölner Kubus e.V.

Der Kölner Kubus e.V. hat zum Ziel, Menschen mit und ohne Behinderung durch gemeinsame kulturelle Erfahrungen und Erlebnisse zusammenzubringen. Dabei kommen dem Lesen und der Literatur eine wichtige Bedeutung zu. Darüber und über die besondere Rolle von Märchen in diesem Zusammenhang berichten Prof. Dr. i. R. Barbara Fornefeld und Dr. Anke Groß-Kunkel im Interview mit dem Spaß am Lesen Verlag.

Ihnen ist es ein Anliegen, Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Dabei soll Kultur gemeinsam erlebbar gemacht werden. Warum ist das so wichtig?

Kubus e.V.: Der Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung entsteht meist nicht von allein. Erstbegegnungen führen oftmals zu Unsicherheit auf beiden Seiten, die so lange bestehen bleibt, bis Erlebnisse und Erfahrungen geteilt werden. Kulturelle Erfahrungen können Verbindungen zwischen Menschen knüpfen und gemeinsame Bildungsprozesse initiieren. Bücher, die gemeinsam gelesen oder Geschichten, die erzählt werden, können Brücken zwischen Menschen bauen, die das Interesse für mehr wecken.

Die verschiedenen Projekte von KuBus sind ein Beleg dafür, dass Menschen mit und ohne Behinderung Kulturerfahrungen teilen möchten und können. Sie zeigen auch, dass gemeinsames Erleben von Kultur und Literatur als Gewinn wahrgenommen wird.

Welche Projekte verfolgen Sie? Was waren besonders positive Erfahrungen, die Sie dabei gemacht haben?

Kubus e.V.: KuBus® e.V. verbreitet in der Praxis Projekte, die an der Universität zu Köln entwickelt und erprobt werden. Im LEA-Leseklub® treffen sich Menschen mit und ohne Behinderung zum gemeinsamen Lesen im öffentlichen Raum, z. B. im Café oder in einer Bibliothek. Das SUSHI®-Projekt ermöglicht Menschen mit Lernschwierigkeiten die Teilhabe an Hochschulbildung und -forschung. Im Rahmen des Forschungsprojektes Teil¬sein & Teil¬haben® konnte gezeigt werden, dass Menschen mit gravierenden Beeinträchtigungen an Kultur und Gesellschaft teilnehmen wollen und können. Die mehr¬Sinn® Geschichten machen durch eine spezielle Form des Erzählens die Kultur der Geschichten erfahrbar. Originalgeschichten sind so bearbeitet, dass ihr Inhalt über Requisiten, sinntragende Musik und eine spannungsvolle Erzählweise vermittelt wird.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die gemeinsame Literaturerfahrung ein wunderbarer ‚Türöffner‘ ist und Vorurteile gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung abbaut: ‚Wer lesen kann oder sich für Geschichten interessiert, der ist wie wir, der gehört doch dazu‘. Erfahrungen, wie sie in Geschichten zum Ausdruck kommen, verbinden Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander. Geschichten wecken Erinnerungen aus der Kindheit, von denen im Alter gern erzählt wird.

Das Besondere an KuBus ist die Qualität seiner Projekte, die aus einer engen Verzahnung von Wissenschaft und Praxis entwickelt wurden und längst nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung ansprechen, sondern andere Bevölkerungsgruppen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Migrationserfahrung, alte Menschen u.a.m. Mit seiner öffentlichen Sichtbarkeit leistet KuBus einen Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft.

Der Spaß am Lesen Verlag übersetzt Bücher in Einfache und Leichte Sprache. Welche Bedeutung kommt der Vereinfachung von Literatur Ihrer Meinung nach zu?

Kubus e.V.: Die Übersetzungen sowie die in Einfacher und Leichter Sprache geschriebenen Bücher u.a. aus dem Spaß am Lesen Verlag sind in den KuBus Projekten ein wichtiger und viel genutzter Lesestoff. Das Buch als Medium schafft dabei die eben angesprochenen Verbindungen zwischen unterschiedlichen Menschen und die Erfahrungen eines geteilten kulturellen Interesses. Vereinfachte Literatur ist ein Baustein, um das Textverständnis für alle zu ermöglichen. Wichtig ist dabei jedoch, dass die Vereinfachung nicht das ästhetische Erleben der Lesenden oder Zuhörenden mindert. Gerade in Märchen sind wohlklingende, altmodische Worte ein wesentliches Stilmittel, welches Menschen mit Beeinträchtigung nicht gänzlich vorenthalten werden sollte.

Die Vereinfachung von Literatur ist somit eine hohe Kunst. Teilweise ermöglichen die KuBus Projekte durch spezifische Techniken – wie das gemeinsame Lesen und Besprechen eines Buches im LEA-Leseklub® – ein genussvolles Lesen von Texten ohne Übersetzung in Einfache und Leichte Sprache. Bedeutend ist es für KuBus daher, unterschiedliche literarische Werke in seinen Projekten zu nutzen.
In Ihrem Projekt mehr¬Sinn® Geschichten geht es darum, Märchen und andere Geschichten zu riechen, zu schmecken, zu fühlen, zu schauen und zu erleben. Warum brauchen Menschen heutzutage noch Märchen?

Kubus e.V.: Märchen sind kurze Erzählungen mit einer Botschaft, die nie altmodisch werden oder überholt sind. Es gibt kaum eine andere Literaturform, mit der man Menschen allen Alters, aller Schichten oder mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund erreichen kann. Märchen sind allgemein verständlich, weil sie Urerfahrungen von Menschen und Lebensfragen aufgreifen. Die Zuhörenden spüren, dass das Erzählte etwas mit ihnen selbst zu tun hat. Wenn Märchen in Bildern oder Symbolen eigene Lebensfragen ansprechen, spiegeln sie eigene Erfahrungen wider und eröffnen dem Zuhörenden neue Perspektiven.

Menschen haben sich seit jeher symbolhafte Geschichten erzählt. Sie gibt es überall auf der Welt, ihre Bilder und Symbole ähneln sich. Obwohl Märchen unabhängig voneinander entstanden sind, entsprechen sie menschlichen Urerfahrungen. „Trotz (oder wegen) der ‚Nicht-Moderne‘ der Märchen geht von ihnen beim Erzählen eine besondere Faszination aus, so dass Menschen aller Altersstufen (…) sich davon angesprochen fühlen. Oft habe ich das Gefühl, sie werden aufgesogen wie Wasser von einem trockenen Schwamm“, sagt Sabine Lukat, Präsidentin der Europäischen Märchengesellschaft.

Die mehr¬Sinn® Geschichten knüpfen an diese Tradition an. Sie ermöglichen durch ihr spezifisch sinnliches Format Empfindungen, Emotionen und Erinnerungen und erleichtern dadurch das Verstehen. Menschen mit Beeinträchtigung können somit in die Welt der Geschichten eintauchen; mehr¬Sinn® Geschichten sind kulturelle und soziale Teilhabe für alle! Ursprünglich für Menschen mit Beeinträchtigung entwickelt, werden sie heute in Familien, Kindergärten, Schulen, kirchlichen und therapeutischen Institutionen, in Einrichtungen der Behinderten- und Altenhilfe, in Bibliotheken, Museen und Theatern im In- und Ausland erzählt.

Wenn Sie wie im Märchen drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Arbeit für unsere Gesellschaft, Kultur und Literatur am meisten wünschen?

  1. Menschen sollen mehr lesen.
  2. Menschen sollen miteinander über das Gelesene sprechen.
  3. Sie sollen dabei sich selbst und ihre Gemeinsamkeiten entdecken.

Der Kölner Kubus e.V. hat zum Ziel, Menschen mit und ohne Behinderung durch gemeinsame kulturelle Erfahrungen und Erlebnisse zusammenzubringen. Dabei kommen dem Lesen und der Literatur eine wichtige Bedeutung zu. Darüber und über die besondere Rolle von Märchen in diesem Zusammenhang berichten Prof. Dr. i. R. Barbara Fornefeld und Dr. Anke Groß-Kunkel im Interview mit dem Spaß am Lesen Verlag.

Ihnen ist es ein Anliegen, Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen. Dabei soll Kultur gemeinsam erlebbar gemacht werden. Warum ist das so wichtig?

Kubus e.V.: Der Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung entsteht meist nicht von allein. Erstbegegnungen führen oftmals zu Unsicherheit auf beiden Seiten, die so lange bestehen bleibt, bis Erlebnisse und Erfahrungen geteilt werden. Kulturelle Erfahrungen können Verbindungen zwischen Menschen knüpfen und gemeinsame Bildungsprozesse initiieren. Bücher, die gemeinsam gelesen oder Geschichten, die erzählt werden, können Brücken zwischen Menschen bauen, die das Interesse für mehr wecken.

Die verschiedenen Projekte von KuBus sind ein Beleg dafür, dass Menschen mit und ohne Behinderung Kulturerfahrungen teilen möchten und können. Sie zeigen auch, dass gemeinsames Erleben von Kultur und Literatur als Gewinn wahrgenommen wird.

Welche Projekte verfolgen Sie? Was waren besonders positive Erfahrungen, die Sie dabei gemacht haben?

Kubus e.V.: KuBus® e.V. verbreitet in der Praxis Projekte, die an der Universität zu Köln entwickelt und erprobt werden. Im LEA-Leseklub® treffen sich Menschen mit und ohne Behinderung zum gemeinsamen Lesen im öffentlichen Raum, z. B. im Café oder in einer Bibliothek. Das SUSHI®-Projekt ermöglicht Menschen mit Lernschwierigkeiten die Teilhabe an Hochschulbildung und -forschung. Im Rahmen des Forschungsprojektes Teil¬sein & Teil¬haben® konnte gezeigt werden, dass Menschen mit gravierenden Beeinträchtigungen an Kultur und Gesellschaft teilnehmen wollen und können. Die mehr¬Sinn® Geschichten machen durch eine spezielle Form des Erzählens die Kultur der Geschichten erfahrbar. Originalgeschichten sind so bearbeitet, dass ihr Inhalt über Requisiten, sinntragende Musik und eine spannungsvolle Erzählweise vermittelt wird.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die gemeinsame Literaturerfahrung ein wunderbarer ‚Türöffner‘ ist und Vorurteile gegenüber Menschen mit Beeinträchtigung abbaut: ‚Wer lesen kann oder sich für Geschichten interessiert, der ist wie wir, der gehört doch dazu‘. Erfahrungen, wie sie in Geschichten zum Ausdruck kommen, verbinden Menschen unterschiedlicher Herkunft miteinander. Geschichten wecken Erinnerungen aus der Kindheit, von denen im Alter gern erzählt wird.

Das Besondere an KuBus ist die Qualität seiner Projekte, die aus einer engen Verzahnung von Wissenschaft und Praxis entwickelt wurden und längst nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung ansprechen, sondern andere Bevölkerungsgruppen, Kinder und Jugendliche, Menschen mit Migrationserfahrung, alte Menschen u.a.m. Mit seiner öffentlichen Sichtbarkeit leistet KuBus einen Beitrag zu einer inklusiveren Gesellschaft.

Der Spaß am Lesen Verlag übersetzt Bücher in Einfache und Leichte Sprache. Welche Bedeutung kommt der Vereinfachung von Literatur Ihrer Meinung nach zu?

Kubus e.V.: Die Übersetzungen sowie die in Einfacher und Leichter Sprache geschriebenen Bücher u.a. aus dem Spaß am Lesen Verlag sind in den KuBus Projekten ein wichtiger und viel genutzter Lesestoff. Das Buch als Medium schafft dabei die eben angesprochenen Verbindungen zwischen unterschiedlichen Menschen und die Erfahrungen eines geteilten kulturellen Interesses. Vereinfachte Literatur ist ein Baustein, um das Textverständnis für alle zu ermöglichen. Wichtig ist dabei jedoch, dass die Vereinfachung nicht das ästhetische Erleben der Lesenden oder Zuhörenden mindert. Gerade in Märchen sind wohlklingende, altmodische Worte ein wesentliches Stilmittel, welches Menschen mit Beeinträchtigung nicht gänzlich vorenthalten werden sollte.

Die Vereinfachung von Literatur ist somit eine hohe Kunst. Teilweise ermöglichen die KuBus Projekte durch spezifische Techniken – wie das gemeinsame Lesen und Besprechen eines Buches im LEA-Leseklub® – ein genussvolles Lesen von Texten ohne Übersetzung in Einfache und Leichte Sprache. Bedeutend ist es für KuBus daher, unterschiedliche literarische Werke in seinen Projekten zu nutzen.
In Ihrem Projekt mehr¬Sinn® Geschichten geht es darum, Märchen und andere Geschichten zu riechen, zu schmecken, zu fühlen, zu schauen und zu erleben. Warum brauchen Menschen heutzutage noch Märchen?

Kubus e.V.: Märchen sind kurze Erzählungen mit einer Botschaft, die nie altmodisch werden oder überholt sind. Es gibt kaum eine andere Literaturform, mit der man Menschen allen Alters, aller Schichten oder mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund erreichen kann. Märchen sind allgemein verständlich, weil sie Urerfahrungen von Menschen und Lebensfragen aufgreifen. Die Zuhörenden spüren, dass das Erzählte etwas mit ihnen selbst zu tun hat. Wenn Märchen in Bildern oder Symbolen eigene Lebensfragen ansprechen, spiegeln sie eigene Erfahrungen wider und eröffnen dem Zuhörenden neue Perspektiven.

Menschen haben sich seit jeher symbolhafte Geschichten erzählt. Sie gibt es überall auf der Welt, ihre Bilder und Symbole ähneln sich. Obwohl Märchen unabhängig voneinander entstanden sind, entsprechen sie menschlichen Urerfahrungen. „Trotz (oder wegen) der ‚Nicht-Moderne‘ der Märchen geht von ihnen beim Erzählen eine besondere Faszination aus, so dass Menschen aller Altersstufen (…) sich davon angesprochen fühlen. Oft habe ich das Gefühl, sie werden aufgesogen wie Wasser von einem trockenen Schwamm“, sagt Sabine Lukat, Präsidentin der Europäischen Märchengesellschaft.

Die mehr¬Sinn® Geschichten knüpfen an diese Tradition an. Sie ermöglichen durch ihr spezifisch sinnliches Format Empfindungen, Emotionen und Erinnerungen und erleichtern dadurch das Verstehen. Menschen mit Beeinträchtigung können somit in die Welt der Geschichten eintauchen; mehr¬Sinn® Geschichten sind kulturelle und soziale Teilhabe für alle! Ursprünglich für Menschen mit Beeinträchtigung entwickelt, werden sie heute in Familien, Kindergärten, Schulen, kirchlichen und therapeutischen Institutionen, in Einrichtungen der Behinderten- und Altenhilfe, in Bibliotheken, Museen und Theatern im In- und Ausland erzählt.

Wenn Sie wie im Märchen drei Wünsche frei hätten, was würden Sie sich vor dem Hintergrund Ihrer Arbeit für unsere Gesellschaft, Kultur und Literatur am meisten wünschen?

  1. Menschen sollen mehr lesen.
  2. Menschen sollen miteinander über das Gelesene sprechen.
  3. Sie sollen dabei sich selbst und ihre Gemeinsamkeiten entdecken.