20.09.23

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Wir haben Sebastian Fitzek interviewt!

Wir durften Sebastian Fitzek interviewen! Sebastian Fitzek ist Deutschlands erfolgreichster Autor. Seine Bücher landeten alle samt in den Bestsellerlisten und wurden bisher weltweit 16 Millionen Mal verkauft und in 36 Sprachen übersetzt. Sie sind Vorlage für national und internationale Verfilmungen und Theateradaptionen. Als erster deutscher Autor wurde Fitzek mit dem Europäischen Preis für Kriminalliteratur ausgezeichnet.

Herr Fitzek hat uns spannende Einblicke in die Arbeitswelt eines Autors ermöglicht und erklärt, weshalb Bücher in Einfacher Sprache so wichtig sind.

Herr Fitzek, Ihr Debütroman „Die Therapie“ wurde verfilmt und wird bald als Psychothriller-Serie auf Amazon Prime erscheinen - was ist Ihnen bei einer Verfilmung besonders wichtig? 

Jede Geschichte hat ein Fundament und Säulen. Für mich ist es wichtig, dass die Geschichte in ihrem Kern respektiert wird und ihre Grundpfeiler nicht bis zur Unkenntlichkeit verzerrt oder umgedeutet werden. Andersherum bedeutet es nicht, dass ich als Autor auf eine exakte Umsetzung des geschriebenen Wortes achte. Für bestimmte innere Erlebniswelten müssen im Film passende Bilder gefunden werden und das ist die Kunst des Drehbuchs, der Regie, der Ausstattung und natürlich der Schauspieler. Man muss also eine andere Umsetzungsform finden, in welcher die Essenz des Buches ernstgenommen und respektiert wird. 

Ähnlich ist es vielleicht bei der Übersetzung in Einfache Sprache: Wir haben drei Bücher von Ihnen in Einfache Sprache übersetzt. Haben Sie hier Bedenken, dass die Atmosphäre der Geschichte verändert wird? 

Auch hier glaube ich, dass man sich zurückhalten muss. Nur weil man das Buch geschrieben hat, darf man nicht glauben, man hat bei jeder Adaption wie die Umsetzung in Film oder eben Einfache Sprache bis ins letzte Detail ein Mitspracherecht. Denn ein Buch in Einfache Sprache zu übersetzen ist ebenfalls eine Kunst und setzt ein unglaubliches Wissen voraus. Ich selbst kann nicht beurteilen, ob ein Buch die Atmosphäre an jemanden, der gern in Einfacher Sprache liest, auch transportiert. Ebenso wenig könnte beurteilen, ob eine Übersetzung meines Buches ins Japanische oder sogar ins Englische gelungen ist. Dazu muss man Erfahrung haben – insofern halte ich mich hier aus gutem Grund zurück. 

Haben Sie selbst schon mal eines Ihrer Bücher in Einfacher Sprache gelesen? 

Ja das habe ich und dazu auch Rückmeldungen erhalten – die sind mir noch wichtiger als mein eigenes Empfinden. Ich finde es hervorragend, dass es so etwas gibt, und ich habe das selbst angestoßen, als ich vom Spaß am Lesen Verlag erfahren habe. Als ich die bestehende Autorenliste gesehen habe, dachte ich – Thriller sind noch ein wenig unterpräsentiert. Ich bin begeistert von der Möglichkeit, meine Bücher für Menschen zugänglich zu machen, die sonst keinen Zugang zu diesen Werken hätten. 

Sie engagieren sich als Schirmherr für den Dachverband Alpha-Selbsthilfe. Was liegt Ihnen bei der Aufklärung über Analphabetismus und der Unterstützung von Betroffenen besonders am Herzen? 

Ich glaube Aufklärung ist das richtige Wort. Es muss erst einmal ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass wir ein unglaubliches Potential in unserer Gesellschaft brach liegen lassen und vernachlässigen. Besonders in der Buchbranche wird darüber gejammert, dass immer weniger Leute lesen. Und dann gibt es Millionen von Menschen, die gerne Bücher lesen würden und sich häufig für ihre Leseschwierigkeiten schämen. Mir selbst wurden damals auf einer Buchmesse die Augen geöffnet, auf der es einen Stand der Alpha-Selbsthilfe gab. Viele Betroffene versuchen mit unglaublicher Anstrengung zu kaschieren, dass sie unter dieser Schwäche leiden. Keiner stigmatisiert mich, weil ich nicht kochen kann oder nicht so gut im Kopfrechnen bin. Aber lesen und schreiben zu können wird blind vorausgesetzt. Und unsere Aufgabe ist es, diesen Menschen die Teilhabe zu ermöglichen und die wunderbare Wort- und Schriftwelt zugänglich zu machen. 

Sie erwähnen Alpträume als Inspiration für Buchideen – stimmt das, oder woher nehmen Sie Ihre Inspiration für die Psychothriller? 

Alpträume tatsächlich ganz selten – ich schöpfe meine Ideen eher aus dem Alltag und der Realität heraus, die leider manchmal viel grausamer ist, als ich es mir ausdenken kann. Bei mir kann auch etwas ganz Banales aus dem Alltag wie zum Beispiel die Übergabe eines Pakets von einem Nachbarn zu einem Buch führen, was am Ende dann übrigens auch „Das Paket“ hieß. 

Brauchen Sie nach jedem Buch eine Art Erholungsphase, in der Sie mit der einen Geschichte abschließen und eine andere kreieren können, oder entstehen mehrere Ideen parallel? 

Ideen entstehen eigentlich immer, für die wenigsten opfere ich aber neun Monate meines Lebens. Denn irgendwann denke ich mir – es gibt noch andere Dinge, die vielleicht schöner sind als den ganzen Tag vor einem Laptop-Bildschirm zu hocken. Aber wenn die Geschichte so gut ist, dass man sie zu Papier bringen muss, egal was andere davon halten oder ob sie überhaupt gelesen wird, dann muss man anfangen zu schreiben. 

Sie schreiben teilweise über tiefe Abgründe der Menschen - ist das Schreiben selbst vielleicht manchmal wie eine Art Therapie? 

(Lacht) Das habe ich früher gedacht. Aber ich verarbeite nicht bestimmte Ängste – von denen ich sehr viele habe – sondern ich bearbeite sie. Und das ist etwas, was man auch in der Psychotherapie krankhaften Grüblern rät: schreib es auf! Die Gedanken in Form zu bringen ist der erste Schritt zur Lösung des Problems. Wenn ich eine Schlagzeile oder einen grausamen Polizeibericht lese, dann beschäftigt mich das. Indem ich es niederschreibe, gebe ich diese Gedanken eine Struktur. Schreiben ist mein Ventil – meine Sorgen, die ich zum Beispiel als Familienvater habe, lösen sich dadurch nicht in Luft auf. Aber ich bringe sie in Form. Ich finde, das ist eine gute Arbeitsteilung: Ich habe die Alpträume, stülpe sie den Lesenden über und verdiene damit sogar mein Geld (lacht). Trotzdem kann ich sagen, dass ich die Realität abmildere. Denn dort passieren teilweise so skurril grausame Dinge, dass es mir unverändert in der Fiktion gar nicht geglaubt würde. 

Haben Sie ein Lieblingsbuch von all den Büchern, die Sie geschrieben haben? 

Das ist tatsächlich unterschiedlich und ändert sich je nach Zeitpunkt. Momentan ist es natürlich „Die Einladung“: Ich freue mich ganz besonders auf die Veröffentlichung im Oktober! Es gibt aber zwei Bücher, die immer und jeden Tag eine ganz besondere Bedeutung haben und das ist zum einen mein Debüt „Die Therapie“. Ohne dieses Buch wäre ich jetzt gar nicht in der Lage als Autor hier mit Ihnen zu sprechen. Das zweite ist das Buch, an dem ich gerade schreibe. Denn bei diesem Buch hege ich die Hoffnung, dass es noch besser wird als alle bisherigen. Hätte ich diese Hoffnung nicht, dann würde ich aufhören zu schreiben! 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fitzek!

(Bild: Sebastian Fitzek)