09.05.22
Deutschstunde – ein zentrales Werk der deutschen Nachkriegsliteratur
Marion Döbert, Publizistin und Expertin für Alphabetisierung, hat die Deutschstunde für den Spaß am Lesen Verlag in Einfache Sprache übersetzt. Warum der Klassiker von Siegfried Lenz so wichtig ist, wie sich ihr eigener Zugang im Laufe der Übersetzung verändert hat und wer die vereinfachte Ausgabe unbedingt lesen sollte, davon berichtet sie im Interview.
Warum sollte man die Deutschstunde von Siegfried Lenz lesen?
Die Deutschstunde ist einer der bedeutsamsten Romane der deutschen Literatur. Er wurde weltweit in über 20 Sprachen übersetzt und über 2 Millionen Mal verkauft. Wenn man das Buch liest, lernt man also einen echten Klassiker kennen. Aber noch wichtiger ist, dass es beim Leser im Kopf „rattert“: „Wie würde ich mich verhalten, wenn ich einen Freund bespitzeln und verraten soll? Würde ich Widerstand gegen Unrecht leisten, auch wenn ich dafür hart bestraft würde? Würde ich mir in die Hand schießen, damit ich nicht in den Krieg ziehen muss? Würde ich meinen eigenen Sohn ans Messer liefern, nur um meine Pflicht zu erfüllen?“ Die Deutschstunde wirft Fragen auf, die jeden von uns angehen und die echt spannend sind.
Wie hat sich Ihr Zugang zu diesem Klassiker der Literatur im Laufe der Übersetzung in Einfache Sprache verändert?
Lenz gehört zu den Schriftstellern, die sich Zeit nehmen für brillantes Erzählen. Da wird nichts mal eben „husch husch“ aufgeschrieben. Der Leser muss sich deshalb auch Zeit nehmen, um die Fülle an Worten und Sätzen auf sich wirken zu lassen und zu verstehen. Unser heutiges Lesen im digitalen Format ist aber eher schnell, schnelles, unkonzentriertes, sprunghaftes Häppchenlesen. Mit der Übersetzung in Einfache Sprache habe ich versucht, eine Brücke zu schlagen, damit auch ungewohnte, zeitgestresste oder flüchtige Leser einen Zugang zu der Deutschstunde finden und das Buch genießen können.
Wer sollte die Deutschstunde in Einfacher Sprache unbedingt lesen? Für wen oder welche Gruppen eignet sich die Lektüre besonders?
Jugendliche und Erwachsene, die sich eher schwer tun mit dem Lesen oder sich einen Klassiker nicht zutrauen. Die Version in Einfacher Sprache erleichtert das Lesen enorm. Das ist auch toll für Menschen, die Deutsch als eine neue Sprache lernen wollen oder müssen. Sie lernen dadurch nicht nur besser lesen, sondern auch eine Menge über deutsche Zeitgeschichte und Kultur. Grundsätzlich sind Bücher in Einfacher Sprache auch immer gut für Menschen, die lesen wollen, aber keine Zeit oder Energie für dicke Wälzer haben.
Marion Döbert ist eine der bekanntesten Alphabetisierungs-Expertinnen sowie freie Publizistin und Autorin. Bereits seit 2013 schreibt sie für den Spaß am Lesen-Verlag.