02.04.25

Unterschiede zwischen den Geschlechtern überwinden: Wie Männer und Frauen lesen
Die vollkommene Gleichstellung zwischen Männern und Frauen ist ein langer Prozess, insbesondere aus globaler Perspektive. Frauen haben es weltweit in Bezug auf ihre Chancen und Rechte immer noch schwerer als Männer. Diese Unterschiede halten bis heute an - und sie haben nichts mit der Leistung zu tun. Denn in vielen Bereichen schneiden Frauen grundsätzlich besser ab als Männer. Zum Beispiel im Bereich der Alphabetisierung. Unter den Frauen gibt es im Durchschnitt weniger funktionale Analphabeten als bei Männern. Das lässt sich in Deutschland und sogar ganz Europa feststellen. Die PIAAC Studie (2023) gehört beispielsweise zu den Studien, die Lesekompetenz nach binärer Geschlechtertrennung aufschlüsseln. Die aktuellen Ergebnisse zeigen dort einen deutlichen Trend: In Deutschland verfügen Frauen im Vergleich zu Männern über eine leicht höhere Lesekompetenz.
Wie kommt es zu diesem Unterschied? Zunächst lesen Frauen durchschnittlich mehr als Männer. Das bedeutet, dass sie das Lesen automatisch auch mehr üben. Das beginnt schon im frühen Alter. Frauen lesen nicht nur mehr Bücher, sie kaufen auch mehr Bücher. Sie lesen außerdem eher sehr lange Bücher und werden deshalb oft spaßeshalber als „lesesüchtig“ bezeichnet.
Auch eine aktuelle internationale Studie bestätigt dies: Darin hat eine bekannte TV-Sendung im Ausland eine Studie über das Leseverhalten ihrer Zuschauer:innen durchgeführt. Zwei Drittel der Befragten hatten kürzlich ein oder mehrere Bücher gelesen. Dieses Ergebnis war jedoch nicht gleichmäßig zwischen den Geschlechtern verteilt: 74 Prozent der Frauen machten diese Angabe, jedoch nur 53 Prozent der Männer. Im Bereich Alphabetisierung gibt es also einen umgekehrten „Gender-Gap“, bei dem die Frauen deutlich vor den Männern liegen…
Die Studie bestätigte auch, dass Frauen häufiger lesen als Männer. Ein Fünftel der Teilnehmerinnen gab an, dass sie fast täglich lesen. Nur jeder zehnte Mann gab hingegen an, fast täglich zu lesen. Auch in Bezug auf das bevorzugte Genre gibt es Unterschiede. Sowohl Männer als auch Frauen lesen gerne Krimis (das Genre ist mit Abstand auf Platz 1), danach trennen sich die Geschmäcker. Viele Frauen lesen lieber Romantik oder Alltagsgeschichten. Männer lesen hingegen lieber über Geschichte, Politik oder Wissenschaft. Denn so klischeehaft es auch sein mag: Frauen entscheiden sich oftmals eher für emotionale Geschichten, Männer lesen lieber non-fiktionale Bücher.
Das gilt aber nicht für alle. Ein Fünftel der Befragten gab an, seit mehr als fünf Jahren kein Buch mehr gelesen zu haben, jeder Zehnte hat schon seit mehr als 20 Jahren kein Buch mehr gelesen. Weitere drei Prozent gaben sogar zu, noch nie ein Buch gelesen zu haben.
Die leseschwächste Gruppe ist eindeutig die der Männer und Jungs. Dieser Unterschied zeigt sich bereits in jungen Jahren. In der Grundschule sind Jungen und Mädchen mehr oder weniger auf dem gleichen Leseniveau, aber während der Pubertät ändert sich dies. Unklar ist, ob es an der körperlichen Entwicklung liegt. Vielleicht am größeren Bedürfnis der Jungen nach körperlicher Aktivität und dem Ausloten von Grenzen. Oder liegt es am Büchermarkt? Gibt es vielleicht weniger Bücher, die Jungs thematisch ansprechen, was dazu führt, dass sie das Lesen schon in der Jugend aufgeben? Denn es stimmt natürlich, dass der Büchermarkt sich immer an sein größtes Publikum anpasst.
Und bisher wird nicht viel dagegen getan. Das ist seltsam, denn diese Gruppe wird bald die größte „Problemgruppe“ in Bezug auf geringe Lese- und Schreibkompetenz sein. Zusätzliche Prävention und Leseförderung wären also wünschenswert. Vielleicht könnte man also mit dem anfangen, was am einfachsten umzusetzen ist: Die Auswahl an Büchern für sie zu erweitern. Es gibt zum Beispiel die Website „Boys & Books“. Diese zeigt Lehrern, welche Bücher am besten für junge Männer geeignet sind. Die Website setzt den Schwerpunkt auf Bücher, die für Jungen manchmal einfach interessanter sind als für Mädchen.
Auch der Spaß am Lesen-Verlag hat in diesem Jahr bereits einige Vorschläge von „Boys & Books“ für die geplanten Neuerscheinungen übernommen. Schließlich möchten wir unseren Beitrag zur Prävention und Leseförderung leisten.
Bild: © Canva